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Wahren die Bischöfe den Schein?
Der Konflikt um die Konfliktberatung
Keine Diözese wird aus
der Schwangerschaftsberatung aussteigen.
Zumindest darüber sind sich
die deutschen Bischöfe einig.
Doch ob der Beratungsschein, der eine straffreie Abtreibung ermöglicht,
weiterhin ausgestellt werden soll,
daran scheiden sich die Geistlichen. "Jetzt ist die Stunde
des einzelnen Bischofs, der
entscheiden muss", sagte Bischof Karl Lehmann auf der
Herbstvollversammlung der
Bischöfe im September in
Fulda. Nun sei das Gewissen
jedes einzelnen gefragt, die
Bischofskonferenz könne
keine allgemeinverbindliche
Entscheidung treffen, erklärte Bischof Lehmann.
Rund ein Sechstel der 1686
Konfliktberatungsstellen in
Deutschland sind nach Angaben des Bundesfamilienministeriums in katholischer
Trägerschaft. In Bayern beispielsweise würde der Ausstieg aus dem staatlichen
Beratungssystem katastrophale
Folgen haben. Hier betreibt
die katholische Kirche rund
ein Drittel aller Stellen. Beim
Ausstieg wäre die flächendeckenden Beratung gefährdet. Anderen Ländern geht
es ähnlich.
Haben die Bischöfe nach
dem jüngsten Papstbrief noch
Wahlmöglichkeiten? Bisher
haben die Bistümer Paderborn
und Speyer ihren aus dem staatlichen System zum Januar 2000 angekündigt. Auch Köln wird
nicht darin bleiben, hat jedoch bislang keine Frist gesetzt. Die meisten Oberhirten
wollen im November bei ihren regelmäßigen "Ad-limina-Besuchen"
in Rom mit
dem Papst persönlich reden.
Bis dahin aber wollen die Laien nicht warten. Das Zentralkommitee
der deutschen
Katholiken (ZdK) hat, um
mögliche Beratungslücken zu
füllen, den Verein "Donum
Vitae" (Geschenk des Lebens) ins Leben gerufen. "Donum Vitae" will die
gesetzliche Schwangerschaftskonfliktberatung fortsetzen,
auf der Grundlage des "Beratung- und Hilfeplans". "Wenn
die Bischöfe nicht mehr dürfen, springen wir halt in die
Bresche", erklärte das ZdK
direkt nach Erscheinen des
Papstbriefes. Doch der Weg
bis zur ersten Beratungsstelle
ist steinig. Es müssen
zunächst rechtliche und organisatorische Hürden überwunden werden. Da wäre
zum einen die Finanzen: Der
Verein hofft auf Spenden und
will eine Stiftung gründen.
Dafür ist eine viel Geld notwendig, denn laut Gesetz
dürfen nur die Zinserträge
für den Stiftungszweck - die
Konfliktberatung - verwendet werden. Sozialminister
aus einigen Bundesländern
wollen die Laien dabei unterstützen.
Probleme gibt es auch
beim rechtlichen Status. Kirchenrechtler bezeichnen das
Modell zwar als "gangbaren
Weg". Doch müsse der Verein kirchenunabhängig sein.
Das bedeutet: Kein Geld aus
Kirchensteuern, und Bischöfe sowie Kirchenmitglieder,
die sich engagieren, müssten
mit Strafmaßnahmen des Vatikan bis hin zur Exkommunizierung
rechnen. Außerdem
fehlen noch qualifizierte Mitarbeiter. "Donum Vitae"
führt bereits Gespräche mit
dem Sozialdienst Katholischer Frauen (SkF) und der
Caritas Über eine mögliche
Zusammenarbeit. In Bayern
wollen beide Organisationen
wie bisher beraten, mit
Schein. Aber was. passiert,
wenn in einer Diözese der Bischof das ablehnt, die Mittel
verweigert oder "Donum Vitae" die Beratung untersagt?
Fragen über Fragen, die noch
zu klären sind. Nur eines
steht fest: "'Donum Vitae'
wird es geben. Wir brauchen
nur Zeit", sagt der Pressesprecher des ZdK, Theodor Bolzenius.
Dass Beratung von
Schwangeren in Konflikten
Leben rettet, beweisen Zahlen
Rund 5000 Frauen entschieden sich 1997 durch
kirchliche Beratung für ihr
Kind. Laut einer Statistik des
Deutschen Caritasverbandes
hatten sich 20097 Frauen
beraten lassen.
Das Beispiel Fulda zeigt, wohin der Ausstieg führen
kann. Hier wird seit sechs
Jahren kein Schein mehr ausgestellt. Von 1995 bis 1997 hat
dort keine Frau, die eine Abtreibung erwog, den Rat der
Kirche gesucht, berichtet der
SkF in Fulda. 95 Prozent der
3145 Frauen, die zur Beratung kamen, suchten nur das
Gespräch zwecks sozialer
Fragen und materieller Hilfe.
In anderen Diözesen geht es
bei etwa 20 Prozent der Beratungen um Schwangerschaftskonflikte. In Fulda sei
der Anteil gleich null.
Wie sich die einzelnen Bischöfe entscheiden, wird
sich nach ihrem Besuch beim
Papst im diesem Monat zeigen. Auch das ZdK wird
dann den aktuellen Stand der
Planungen zu "Donum Vitae" bekanntgeben. Bis dahin
wird der Schein gewahrt und
trotz Konflikt im Konflikt
weiter beraten.
Aus: Kolpingblatt NOVEMBER 1999
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